TURNSTILE – NEVER ENOUGH
Turnstile
Es gibt Platten, die schreien dir ins Gesicht und dann gibt es Never Enough von Turnstile. Eine Platte, die nicht fragt, ob du bereit bist. Eine Platte, die einfach kommt, dich schüttelt, dich hebt und, wenn du Glück hast, irgendwo weich wieder absetzt. Oder halt nicht.
Turnstile war nie eine Band für halbe Sachen, aber Never Enough macht kurzen Prozess mit der Idee, man könnte Hardcore heute noch irgendwie kategorisieren. Dieses Album ist kein „weiteres Kapitel“, es ist eine Explosion auf dem Schreibtisch der Musikjournalisten, ein Mittelfinger in Hochglanz, der trotzdem Liebe atmet. Das ist das Paradoxe an Turnstile: kompromisslos, aber offen. Aggressiv, aber nicht zerstörerisch. Laut, aber nie leer.
Schon beim Opener wird klar: Hier geht’s nicht um ein bisschen Energie. Hier geht’s ums Ganze! Rhythmus wie Beton, Vocals wie ein innerer Monolog auf Speed, Gitarrenriffs, die wie Erinnerungen an Sommernächte klingen, die nie passiert sind. Und mittendrin: Hooks, die kleben bleiben, auch wenn du dir sicher warst, dass Hardcore keinen Platz für Eingängigkeit hat. Denkste.
Never Enough klingt, als hätten Fugazi, Bad Brains und die Beastie Boys im gleichen Studio einen Stromausfall erlitten und statt nervös aufs Mischpult zu starren, einfach instinktiv weitergejammt, als ginge es um ihr Leben. Wo andere heute retro posieren oder sich in steril gemasterter Hochglanz-Energie verlieren, pfeifen Turnstile auf jede Form von Kontrolle. Während der Rest der Szene Spotify-optimierte Hook-Gerüste zusammenleimt, bauen Turnstile Räume. Zeit. Leere. Und füllen sie mit Emotion, bis es knistert.
Sie lassen Songs atmen, nur um sie im nächsten Moment implodieren zu lassen. Mal wie eine Welle, mal wie ein Faustschlag ins Sonnengeflecht. Das ist nicht nur Musik, das ist Bewegung. Eine, die keine Angst vor Stille hat. Keine Angst vor Melodie. Keine Angst vor Gefühl.
Für mich ist Never Enough sowas wie das Dark Side of the Moon für eine Generation, die nicht mal mehr Zeit hat, ein Album durchzuhören. Ein Statement gegen alles, was zu glatt, zu smart, zu berechnet klingt. Und genau deshalb so notwendig wie nie.
Und irgendwo in all dem Lärm blitzen Sätze auf, die sich festfressen:
„I was never looking for peace – I was looking for real.“
Das ist nicht bloß Text. Das ist ein Statement. Vielleicht sogar das einzige, das 2025 noch zählt.
Dieses Album ist kein safe space. Es ist ein Reminder daran, dass Musik dich fordern darf, dich verunsichern, dich an etwas erinnern, was du vergessen hast. Es ist ein „Ja“ zu allem, was unbequem ist und damit ein „Nein“ zu allem, was kalkuliert, gefällig, austauschbar ist.
Wenn Never Enough etwas sagt, dann das:
Du bist nicht zu viel. Die Welt ist oft einfach zu wenig.
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